Lugano: Ziel erreicht und Zukunft ungewiss
16.06.2017 | 16:21
Die Tessiner vermochten in der zweiten Saisonhälfte mit Greg Ireland an der Bande zu einem Schlussspurt anzusetzen. Am Ende scheiterte der HC Lugano an seinem Unvermögen, sein Potential voll auszuschöpfen. Dass der Gegner der SC Bern war, machte die Aufgabe nicht einfacher.
Das Saisonziel und die Erwartungen
Letztes Jahr im Finale. Dieses Jahr im Halbfinale gescheitert. Erleben wir eine Wiedergeburt des Grande Lugano? Nein. Es ist nur ein Feuer, welches beim kleinsten Regen wieder ausgehen könnte. Noch fehlt es an der Konstanz über eine ganze Saison. Die Erwartungen der Tifosi waren sicher häher gesteckt. Doch mit dem Halbfinale können die Tessiner zufrieden sein. Noch können sie nicht an die grossen Zeiten anknüpfen.
Arbeit des Sportchefs im letzten Sommer und die Aufgaben für diesen Sommer
Noch fehlt dem HC Lugano jene Hand, die es versteht, mit viel Macht zu regieren, zu dominieren und zu bestimmen. Dies sowohl auf wie auch neben dem Eis. Wie dies Petteri Nummelin war. Dieses eine Puzzlesteinchen zu finden, ist die Aufgabe für Sportchef Roland Habisreutinger. Dieser ist indes angeschlagen. Seine letztjährigen Verpflichtungen mochten nicht ganz zu überzeugen. Die Mannschaft für die kommende Saison hat der Zürcher bereits fast fertig zusammengestellt. Noch fehlen zwei Ausländer. Ein guter Verteidiger mit einem schnellen Pass nach vorne und dem Spielverständnis von Petteri Nummelin wäre gut. Doch zuerst muss sich Habisreutinger im Stuhl halten können. Ich wäre nicht überrascht, wenn es einen Wechsel geben würde.
U22 Spieler im Fanionteam
Lucca Fazzini war eine Entdeckung in der abgelaufenen Saison. Der schnelle, wendige Flügel kann auch bissig spielen und dem Gegner unter die Haut gehen. Dies trotz seiner geringen Körpergrösse von nur 176 cm. War er letztes Jahr nur ein Mitläufer, legte er dieses Jahr zu und kam zu 26 Punkten in 45 Spielen. Auch defensiv spielte Fazzini sehr gut. Mit einer +10 Bilanz überstrahlt er das ganze Lugano Ensemble. Dass die Tessiner den erst 22-jährigen bis 19/20 unter Vertrag genommen haben war ein kluger Schachzug.
Der Ausländer-Check
Patrick Zackrison vermochte im Tessin nie wirklich den Tritt zu finden. Trotz seiner feinen Hände und seinem Sinn für das Eishockeyspiel war er oft ein Fremdkörper im Team. Der Schwede funktionierte am besten mit Linus Klasen zusammen und vermochte mit ihm die entscheidenden Akzente zu setzen. Ohne Klasen hätte der aus Ekerö stammende Flügel nicht 19 Punkte erzielen können. Doch dieser Wert ist weit unter seinem Niveau. Zackrison verlässt denn auch den HC Lugano nach einer Saison wieder.
Linus Klasen ist ein einzigartiger Spieler. Seine stupende Stocktechnik, sein Verständnis für das Spiel ist hoch und er weis wie man Tore auf engem Raum erzielen kann. Er hat aber einen grossen Mangel. Wenn es in die entscheidende Phase der Saison geht, ist er nicht mehr der Spieler der er in der Qualifikation ist. Es scheint, als sähen wir dann einen andern Klasen. Dieses Jahr kam der Schwede besser ins Spiel, konnte aber nicht den Unterschied ausmachen.
Maxim Lapierre ist nicht nur ein Provokateur der seinesgleichen sucht, sondern auch ein Spieler, der in den Play-Offs aufblüht. Der Kanadier fand in dieser Saison die Balance zwischen Provozieren und Skoren. Dennoch sitzt der Stürmer, der alle Positionen im Sturm spielen kann, noch zu oft auf der Strafbank.
Daniel Sondell kam, sah, verletzte sich und wechselte am 20.12. 2016 in die EBEL zum EC Red Bull Salzburg. Dass der Schwede in der Schweiz nie ankam, hat mit seinen Verletzungen zu tun. Mit diesen konnte er sich nicht in den Kader des HC Lugano aufdrängen. Der Abgang nach Österreich war nur eine logische Folge.
Ryan Wilson versteht sein Handwerk in der Verteidigung und kann nach vorne Akzente setzen. Dennoch vermochter der Windsor (Ontario) stammende Spieler mich nicht wirklich zu überzeugen. Zu oft war er einen Schritt zu spät beim Gegner. Zu dem fehlt ihm das gewisse etwas, welches ein ausländischer Verteidiger in der Schweiz braucht. Auf den ersten paar Metern fehlt ihm die Explosivität in den Beinen um vor dem Stürmer an der Scheibe zu sein.
Tony Martensson versteht es, ein Spiel zu lesen und auf der Center Position seine Spieler mit schönen, präzisen Pässen in Szene zu setzen. Am Bully einer der stärksten Ausländer der Liga mit viel Gefühl für die Scheibe. Leider tauchte der Schwede in den Play-Offs unter und war eine Null Nummer.
Der Spieler der Saison
Philipp Furrer ist wie ein guter Wein. Mit dem Alter wird er immer besser. Dies erstaunt bei einem Verteidiger seines Niveaus nicht. Auch dieses Jahr führte er den HC Lugano zusammen mit Alessandro Chiesa, Julien Vauclair, Raffaele Sannitz und Sébastien Reuille das Team durch eine turbulente Saison. Leider ist der gebürtige Berner immer wieder verletzt, so dass er sich ständig wieder in die Saison zurückkämpfen muss. Wann kann er endlich eine Saison ohne Verletzungen spielen?
Der Verlierer der Saison
Roland Habisreutinger und der HC Lugano schossen Einzelrichter Victor Stancescu wegen einer Lappalie ab. Nur weil den Tessinern ein Urteil der Einzelrichter nicht passte. Auch der HC Lugano, und damit Habisreutinger, kannten die Verbundenheit von Stancescu mit den Spielern der ZSC Lions und weiteren in der gesamten Liga. Dass Stancescu gehen musste war ein Verdienst der Tessiner. Darauf kann der HC Lugano wahrlich nicht stolz sein.
Die Entdeckung der Saison
Dario Bürgler war für mich die Entdeckung der Saison. Mit seiner zweitbesten Saison in der heimischen Liga konnte der Sohn von Toni Bürgler wieder auftrumpfen. Der Flügelstürmer ging auch dahin wo es schmerzt. Er war mit ein Grund für den guten Saisonverlauf der Tessiner. Die Frage ist, ob er auch nächstes Jahr wieder zu dieser Form aufläuft. Bürgler tendiert dazu, dass er nach einer guten Saison eine Saison zum vergessen spielt.