"Russen wollten zwischen den Spielen nach Mailand zum Shoppen"
01.12.2015 | 11:27
Piotr Caviezel betreut als Teamhost am diesjährigen Spengler Cup Jokerit Helsinki. Eine intensive Arbeit, während andere die Weihnachtszeit geniessen. "Ich arbeite am Spengler Cup, weil ich Hockey liebe", so Caviezel.
Piotr Caviezel, welches sind Ihre Arbeiten als Teamhost?
Piotr Caviezel: Man ist beinahe rund um die Uhr mit dem Team zusammen. Während dem Spiel kann man an der Bande stehen, bekommt alle Anweisungen und Emotionen hautnah mit und kann in der Pause die Ansprache des Trainers mithören. Das ist einmalig und etwa so, wie wenn man sich in der Formel 1 in der Boxengasse oder sich an fünf Konzerten seiner Lieblingsband im Back- Stage-Bereich aufhalten könnte. Der 25. und 26. Dezember mit der Anreise der Teams ist sehr intensiv. Der Teamhost fährt mit dem Teambus nach Zürich und empfängt die Mannschaft am Flughafen. Nimmt das Team erstmals am Spengler Cup teil, werden die Abläufe im Detail erklärt.
In Davos angekommen, möchten die Spieler meist als Erstes die Spielerutensilien in der Kabine platzieren. Im Hotel wartet meist die nächste Knacknuss. So zum Beispiel, wenn Spieler mit jemandem in dasselbe Zimmer einquartiert sind, dieses aber nicht miteinander teilen möchten. Mit dem Spiel- und Trainingsplan klärt man den Verpflegungsplan und die Essenszeiten. In der Kabine werden die Plätze für die Spiele eingeteilt.
Bei Jokerit Helsinki ist zum Beispiel alles genau abgestimmt – bis aufs persönliche Duschmittel eines jeden Spielers. Dann heisst es Stromadapter, SIM-Karten oder Kaffeemaschinen zu organisieren, Trikots zu beschriften und die spezielle Spengler Cup-Werbung zu platzieren.
Sie rekrutieren die Teamhosts für alle Teams. Ist es eine Herausforderung, zwischen Weihnachten und Neujahr freiwillige Helfer zu finden?
Piotr Caviezel: Das hat sich mit der Zeit so ergeben. Sicher ist es nicht einfach. Doch wir hatten bisher immer Glück. Der Gastgeber Hockey Club Davos hat mit Thomas Ruosch seinen eigenen Teambetreuer. Das Team Canada wird seit 15 Jahren von Marcel Enkerli begleitet. Die Rekrutierung der Teamhosts sowie deren Zuteilung zu den Teams liegt in Absprache mit Marc Gianola in meinem Arbeitsbereich. Der Davoser Fabio Bataglia ist dieses Jahr unser neuer Mann. Er übernimmt die Adler Mannheim. Unser HC-Ambri-Piotta-Fan Michael Kistler ist für Avtomobilist Yekaterinburg zuständig und Andrea Hartmann für den HC Lugano.
Die offizielle Eishockey-Sprache ist Englisch. Reicht dies aus, um mit den russischen Teams zu kommunizieren?
Piotr Caviezel: Hier liegt die Herausforderung. Der Grossteil der Mitglieder der russischen Teams spricht kein Englisch - insbesondere Trainer und Staff. Da muss der Teamhost zwei bis drei Spieler rauspicken, um mit ihnen in Englisch die Bedürfnisse austauschen zu können. Das bedeutet natürlich Zusatzarbeit für die Spieler und man muss das Gespür haben, wen man für was beanspruchen kann.
Ist die Sprache die einzige Herausforderung bei der Betreuung eines russischen Teams?
Piotr Caviezel: Die Teams sind in der Regel eher chaotisch in der Organisation, ein Team aus 25 Individualisten, die häufig jedes Jahr woanders spielen. Da die Spieler der Kontinental Hockey League KHL vorwiegend sehr gut entlöhnt werden, betreut man 25 Millionäre mit kleinen und grösseren Allüren. Spieler, die sich zum Beispiel nicht gewohnt sind, ihre Hockeytasche alleine zu tragen. Ich betreute einst die Spieler von Metallurg Magnitogorsk, also aus einer Stadt mit einer hohen Kriminalitätsrate. Sie waren sich nicht gewohnt, in der Stadt nur fünf Minuten gefahrenfrei zu laufen. Dementsprechend gross war die Herausforderung, die Spieler davon zu überzeugen, zu Fuss ins Hotel zu gehen.
Die Mentalität ist demzufolge nicht bei allen Teams dieselbe?
Piotr Caviezel: Nein. Man kann sich nicht immer darauf verlassen, dass ein russischer Spieler um 10 Uhr an einem vereinbarten Ort ist oder auch wirklich wie abgemacht an den UBS Kids-Day kommt. Bei Tschechen beispielsweise ist dies ganz anders. Ich betreute während drei Jahren Vitkovice Steel. Es waren über drei Jahre betrachtet, zu 90 Prozent dieselben Spieler. Viele kannten sich seit den Junioren. Es spielten Brüderpaare im selben Team oder Sportler, die im selben Quartier aufgewachsen sind. Der Teamgeist war sehr ausgeprägt. Dies spürte man im Umgang. Sie waren auch sehr herzlich und dankbar. Bis heute pflege ich Mail- Kontakte zu diversen Spielern, wie zum Beispiel dem slowakischen Spitzenspieler Branko Radivojevic und zum wohl grössten Torhüter aller Zeiten aus Tschechien, Dominik Hasek.
Welches war bisher der aussergewöhnlichste Wunsch, den Sie als Teamhost zu erfüllen hatten?
Piotr Caviezel: Einmal kamen an einem Morgen drei russische Spieler auf mich zu. Sie wollten mit ihren Frauen nach Mailand zum Shoppen, mussten aber um 14 Uhr wieder in Davos sein. Ich organisierte einen Helikopterflug, denn dies war die einzige Möglichkeit, ihren Wunsch umzusetzen. Die Kosten wurden natürlich von den Spielern bezahlt - und sie waren rechtzeitig zum Spiel wieder aus Italien zurück. Die Russen möchten oft auch Luxusuhren kaufen - am liebsten gleich im Hotel. Dann organisiere ich einen der drei Bijoutiers von der Davoser Promenade.
Welches Programm versuchen Sie am diesjährigen spielfreien Tag den Finnen von Jokerit Helsinki schmackhaft zu machen?
Piotr Caviezel: Letztes Jahr wollte Jokerit Helsinki kein spezielles Programm. Deshalb biete ich ihnen dieses Jahr meinen Klassiker an: Den Ausflug auf die Schatzalp. Für viele Spieler aus der Grosstadt ist dies ein einmaliges Erlebnis. Draussen auf der Terrasse einen Kaffee zu trinken, die Aussicht zu geniessen und dann mit dem Schlitten wieder hinunter nach Davos zu fahren, finden die meisten lässig. Als wir dieses Programm mit Vitkovice machten, fuhr zum Beispiel die Hälfte aller Spieler erstmals mit einem Schlitten.
Welche besonderen Erlebnisse werden Sie nie vergessen?
Piotr Caviezel: Ich organisierte mit den Tschechen eine Trainings-Einheit auf dem Natureisfeld. Rund ein Dutzend Spieler waren dabei. Davoser Knaben waren zur gleichen Zeit am "matcheln". Da liessen sich die Tschechen spontan in deren Teams wählen. Das war auch für die Davoser Jungs ein cooles Erlebnis. Oder ich persönlich durfte als ehemaliger Eishockeyspieler gegen einen tschechischen Nationalmannschafts-Goalie antreten. Ich wettete, dass ich einen von zehn Penaltys verwerten könnte. Ich schaffte es.
Kommen die Spieler gerne ans Turnier?
Piotr Caviezel: Zu Beginn ist es für Einige aufgrund des Zeitpunkts zwischen Weihnachten und Neujahr ein Müssen. Doch wenn Sie einmal da sind, sind sie hell begeistert. Auch sie finden den Kontakt untereinander und zu den Spielern der anderen Teams spannend. So trifft man oft Spieler in den Kabinengängen beim Diskutieren an.
Was bedeutet Ihnen persönlich das Eishockey?
Piotr Caviezel: Schon als Vierjähriger wurde ich von meinem Vater und meinem Patenonkel an jeden HCD-Match mitgenommen. Ich spielte selber Eishockey, hörte aber mit 18 Jahren auf. Dennoch blieb Eishockey mein absolutes Lieblingshobby. Heute sind auch meine beiden Söhne begeisterte HCD-Fans und Spieler des EHC Lenzerheide-Valbella. Teambetreuer am Spengler Cup bin ich nur deshalb, weil ich den Eishockeysport liebe.